Bei “Terroristen” unterm Sofa…
Am Freitag, den 19.09.2025, fand der dritte Verhandlungstag im PKK-Prozess gegen den Kieler Nihat Asut und einen weiteren kurdischen Aktivisten aus Lübeck statt. Schwerpunkt der Verhandlung war die Auswertung der Durchsuchungen von Wohnungen, Vereinsräumen und Fahrzeugen im März dieses Jahres.
Keine Verständigung für den Lübecker Angeklagten
Auch an diesem Verhandlungstag konnten die angeklagten Genossen wieder auf solidarische
Unterstützung bauen. Über 20 Menschen haben sich im Gerichtssaal des OLG Hamburg
eingefunden, um an der Seite von Nihat und dem Lübecker Genossen zu stehen, die
stellvertretend für die kurdische Befreiungsbewegung vor Gericht gestellt werden.
Zu Beginn des Prozesstages erklärte die Verteidigung des Angeklagten aus Lübeck, dass der
Verständigung unter den gegebenen Bedingungen nicht zugestimmt werden kann. Am
vorangegangenen Prozesstag war seitens von Staatsanwaltschaft und Gericht eine
Bewährungsstrafe gegen eine geständige Einlassung in den Raum gestellt worden. Allerdings,
so die Kritik der Verteidigung, sei nicht klar, inwiefern der Angeklagte dafür weitergehende
Äußerungen zu politischen Strukturen oder möglichen Spendenaktivitäten machen müsse.
Der Angeklagte könne sich zu den von ihm organisierten politischen Aktivitäten wie
Demonstrationen oder Veranstaltungen äußern sowie seine bekennende Position zum
Friedensprozess der PKK wiedergegeben, aber keine Angaben darüber hinaus machen. Die
Verständigung kann im Laufe des Verfahrens wieder aufgenommen werden. Gericht und
Staatsanwaltschaft müssten dafür nur die oben genannten Bedingungen garantieren, was sie
an anderer Stelle eigentlich schon signalisierten.
Quittungen, Flens-Notizbücher, Bargeld = Terrorunterstützung?
Im Hauptteil des heutigen Verhandlungstages wurden die Durchsuchungen vom 12. März
2025 ausgewertet. Auf Geheiß der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg wurden an diesem Tag neun Objekte in Schleswig-Holstein durchsucht, darunter die Wohnungen der Angeklagten in Kiel und Lübeck sowie die Wohnungen weiterer Personen, die Vereinsräume des Kurdischen Gemeindezentrums in Kiel, zwei Kleingärten sowie mehrere PKW. Bei den überfallartigen Einsätzen der Polizei wurden Wohnungstüren eingetreten, Wohnräume verwüstet und die Betroffenen und ihre Familien, darunter auch Kranke und Kinder, eingeschüchtert. Der Angeklagte Nihat sitzt seit diesen Razzien in Untersuchungshaft.
In den folgenden Stunden wurde minutiös vorgetragen, was bei den verschiedenen
Durchsuchungen gefunden wurde: USB-Sticks, Tankquittungen, DVDs, Schmuck, Laptops,
Smartphones, Ladegeräte, Kameras, Notizblöcke der Firma Flensburger, eine Öcalan-Flagge,
Infomaterial von Heyva Sor a Kurdistanê, ein paar Flyer, Einkaufstüten mit Notizzetteln,
Plastikdosen mit Quittungen, einfach nur Quittungen sowie verschiedenste Bargeldbestände,
angefangen bei Beträgen von 100 Euro.
Unsere Solidarität gegen die Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung
Wie schon bei der Auswertung der Autoüberwachungen am vorangegangenen Prozesstag
wird deutlich, dass versucht wird, die normalsten und harmlosesten (Gesprächs-)Gegenstände vor dem Hintergrund des §129a/b StGB zu kriminalisieren. So ist es doch nicht geläufig, dass ältere Herrschaften wegen ihrer Ersparnisse vor Gericht gezerrt werden. Und auch ein Haufen Quittungen sind normalerweise ein Fall für Buchhalter:innen und nicht für das Oberlandesgericht. Dieser Verlauf des Prozesses verdeutlicht einmal mehr die Absurdität der Repression deutscher Behörden gegen die kurdische Befreiungsbewegung. Während das Gericht in der vorangegangen Sitzung Verbrechen wie Vertreibung, Folter und Mord seitens des türkischen Staates gegen politische Gegner:innen und Minderheiten bestätigte, ging es jetzt wieder darum, zwei kurdische Aktivisten aus Norddeutschland wegen vermeintlicher Terrorunterstützung vor Gericht zu stellen. Vorwurf: Sammeln von Spenden und politische Tätigkeiten. Beweise: Quittungen, Smartphones, Kalender und Bargeld. Dass politische Aktivitäten wie das Organisieren von Demonstrationen und Veranstaltungen unter das Versammlungsgesetz und die freie Meinungsäußerung fallen, dass es humanitäre
Hilfsorganisationen wie Heyva Sor a Kurdistanê gibt, für die Spenden gesammelt werden,
dass man Quittungen und Bargeld in jedem x-beliebigen Haushalt in Deutschland findet, all
das wird für die Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung außer Kraft gesetzt.
Solidarität bis in die Mittagspause
Die Familie des Angeklagten aus Lübeck hatte zu unserer großen Freude ihr Auto mit
selbstgemachten Köstlichkeiten vollgeladen und lud alle solidarischen
Prozessbeobachter:innen sowie die beiden Verteidiger zu einem gemeinsamen Picknick auf
dem Parkplatz des Oberlandesgerichts ein. Besser hätten wir die Pause nicht verbringen
können…
Und da die Solidarität für die Angeklagten so wertvoll und wichtig ist, rufen wir weiterhin
dazu auf, den Prozess solidarisch zu unterstützen. Der nächste Verhandlungstag findet am
6.10. ab 9 Uhr im Oberlandesgericht in Hamburg (Sievekingplatz 3) statt.
Die Gerichtsverhandlungen beginnen um 9 Uhr – plant genügend Zeit für die aufwändigen
Sicherheitskontrollen ein, wenn ihr den Prozess im Gerichtssaal begleiten möchtet!
Alle Berichte findet ihr hier: Prozessberichte
Solidarität ist unsere Waffe – Wir freuen uns über Spenden!
Spendenkonto:
Rote Hilfe e.V.
Verwendungszweck: Hevgertin – Solidarität
IBAN: DE08 4306 0967 4003 1186 03
BIC: GENODEM1GLS