15.10.2025 – Bericht vom 5. Prozesstag

Entscheidung der Haftprüfung verschoben – Nihat immer noch im Gefängnis

Am Mittwoch, den 15.10.2025, fand der fünfte Verhandlungstag im PKK-Prozess gegen den Kieler Aktivisten Nihat Asut und einen Genossen aus Lübeck statt. Den Vormittag über verlas der Vorsitzende Richter Sakuth zwei Schriftstücke zur Lebensgeschichte der beiden Angeklagten, sowie die Neu-Übersetzung der PKW-Überwachungen. Nach der Mittagspause fand eine mündliche Haftprüfung bezüglich Nihat statt, die Entscheidung des Gerichts wird in den kommenden Tagen schriftlich bekannt gegeben. Auch an diesem Prozesstag war der Zuschauer:innenraum im Oberlandesgericht Hamburg wieder restlos mit solidarischen Menschen gefüllt.

Flucht, Folter und Kampf für Gerechtigkeit

Beim zweiten Schriftstück handelte es sich um einen Zeitungsartikel aus der Özgür Politika aus dem Jahr 2019, in dem der Lübecker Genosse porträtiert wird. Aufgewachsen in einer kleinen Stadt in Nordkurdistan musste er schon früh die Ermordung enger Familienmitglieder durch den türkischen Staat verkraften. Auch der Genosse selbst wurde politisch verfolgt und nach erlittener Folter für 10 Jahre ins Gefängnis gesperrt. Mitte der 2000er Jahre flüchtete er nach Europa und wurde dort für ein halbes Jahr in der Slowakei inhaftiert und kam anschließend nach Deutschland. Hier betätigte er sich weiter aktiv, bemühte sich um die Organisierung der hiesigen kurdischen Jugend und beteiligte sich an den Protesten und Hungerstreiks für die Freilassung von Abdullah Öcalan. Eindringlich blieb aus dem Artikel das Zitat zurück: „Ich glaube es gibt keine kurdische Familie, die in diesem Kampf keinen hohen Preis gezahlt hat“. Da die aufgewühlten Erinnerungen den Angeklagten und das Publikum sichtlich bewegten – denn für viele der Anwesenden waren die Lebensgeschichten mit ihren erschütternden Details zuvor nicht in Gänze bekannt, wurde die Verhandlung kurz unterbrochen.

Lammfleisch ist immer noch lecker“ – Neue Übersetzung der PKW-Überwachung

Scheinbar unbeeindruckt vom zuvor Gehörten, verlas der Vorsitzende Richter anschließend die neu übersetzten Protokolle der PKW-Überwachungen. Bei den bereits am zweiten Verhandlungstag behandelten Protokollen hatte die Verteidigung der Angeklagten richtigerweise kritisiert, dass die Kompetenz der Dolmetschenden nicht bekannt seien, die Übersetzungen teilweise lückenhaft und in den Zusammenfassungen der Gespräche bereits inhaltliche Interpretationen enthalten seien. So wurden knapp 20 Abhörprotokolle, neu und nachweislich gedolmetscht, verlesen. Einige Stellen wichen dabei durchaus von den Schriftstücken des zweiten Verhandlungstages ab, inhaltlich hat sich mit Blick auf den Prozess allerdings nicht viel geändert. Abfolgen à la „Person A: Wie? Person B: Was? Person A: Unverständlich. Person B: Unverständlich. Person A: Ja.“ oder mäßig interessante Aussagen rund um das Wetter oder den Geschmack von Lammfleisch in den kurdischen Hochebenen dominierten die nächsten eineinhalb Stunden vor der Mittagspause. Kurz vor 12 Uhr wurde der Verhandlungstag für die Öffentlichkeit dann für beendet erklärt.

Noch keine Entscheidung bei der Haftprüfung

Wichtigster Punkt der heutigen Verhandlung war aber die Haftprüfung von Nihat, über die nach der Mittagspause hinter verschlossener Tür verhandelt wurde. Nihat sitzt mittlerweile seit über sieben Monaten in Untersuchungshaft, obwohl mehrfach verdeutlicht wurde, dass im Prinzip keinerlei Fluchtgründe bestehen. Trotz Alter, Familie und Einlassung bei der letzten Verhandlung ließ es sich Oberstaatsanwalt Scharkau nicht nehmen, die Aufrechterhaltung der Haft von Nihat zu fordern. Das Gericht verschob eine endgültige Entscheidung über die Freilassung, welche aber in den kommenden Tag schriftlich mitgeteilt werden soll. Währenddessen warteten Familienangehörige und Freund:innen vor dem Gerichtsgebäude vergeblich auf die Bekanntgabe einer „positiven“ Entscheidung des Gerichts und mussten schließlich ohne die „beste Nachricht der Woche – nämlich die Freilassung Nihats aus der U-Haft“ abreisen, wie eine Prozessbeobachter:in schilderte. Nihats Lieblingsessen war bereits vorbereitet…

Damit die „beste Nachricht“ bald wahr wird: Es gilt weiterhin die Angeklagten zu unterstützen, politischen Druck aufrecht zu erhalten und auch während der Prozesstage Solidarität vor Ort zu zeigen. Der kommende Verhandlungstag findet am 5. November um 9 Uhr im Oberlandesgericht in Hamburg (Sievekingsplatz 3) statt.

Weitere Prozesstage: 5.11.| 6.11.| 17.11.| 19.11.| 27.11.| 28.11.| 2.12.| 3.12

Die Gerichtsverhandlungen beginnen um 9 Uhr – plant genügend Zeit für die aufwändigen Sicherheitskontrollen ein, wenn ihr den Prozess im Gerichtssaal begleiten möchtet.

Aktuelle Infos: freenihat.noblogs.org

Prozessbeobachtung Nord, 15.10.2025

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