27.11. – Bericht vom 9. Prozesstag

Mietzahlungen hier – Friedensprozess dort…

Am gestrigen Donnerstag, 27.11.2025, wurde vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg (OLG) der Prozess gegen zwei Kurden aus Schleswig-Holstein wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) fortgesetzt.

Dem Verwendungszweck und dem Empfänger nach zu urteilen handelt es sich vermutlich um Mietzahlungen“

Wie bereits bei den beiden Verhandlungstagen in der letzten Woche, drehte sich die erste Hälfte des Prozesstages um monetäre Fragen. Zunächst ging es um Zweck und Herkunft des bei einem der Angeklagten im vergangenen März beschlagnahmten Geldes.

Dem 64-jährigen Kurden wird vorgeworfen, dass es sich bei den über 80.000 €, die in seiner Wohnung beschlagnahmt wurden, um Spendengelder für die kurdische Arbeiterpartei PKK handeln würde. Er hatte dieses Geld allerdings für den Kauf eines Hauses angespart. Zur Aufklärung dieser Frage hatte das Gericht den Immobilienmakler geladen, für dessen Wohnobjekt der Angeklagte ein Kaufangebot abgegeben hatte. Kaum Erinnerung, keine Unterlagen, keine gespeicherten Daten über Kommunikation und Vertragsverhandlungen – viel Aufklärung brachte die Aussage nicht.

Anschließend wurden Kontoauswertungen von Konten dreier weiterer Personen verlesen. Bei diesen Personen war im Rahmen der im März durchgeführten Hausdurchsuchungen ebenfalls Geld beschlagnahmt worden. Die überaus detaillierten Auswertungen brachten so bahnbrechende Erkenntnisse zum Vorschein wie die Vermutung, dass alle drei Personen vermutlich jeden Monat Miete und Strom bezahlen und auch immer wieder Geld von ihrem eigenen Konto abheben.

Relevanz des aktuellen Friedensprozesses

Nach diesem eher zähen Beginn gewann der Verhandlungstag an inhaltlicher Tiefe: Durch Rechtsanwalt Dr. Björn Elberling wurde ein neuer Beweisantrag zur Berücksichtigung des aktuellen Friedensprozesses in der Türkei gestellt. Ziel des Antrags ist es, darzustellen, dass der Friedensprozess von kurdischer Seite ernsthaft und rückhaltlos betrieben wird. Auch das Einlenken der türkisch-staatlichen Seite auf diesen Friedensprozess lege nahe, dass an dessen Ende ein dauerhafter Friede und ein Ende des bewaffneten Kampfes der PKK stehen wird.

Insbesondere sei hervorzuheben, dass Abdullah Öcalan selbst verdeutlicht habe, dass der bewaffnete Kampf als Mittel der Auseinandersetzung ein Ende hat. Beide Angeklagten hatten in ihren Einlassungen Bezug hierauf genommen und ausgesagt, dass sie sich auch dann noch danach richten würden, falls andere kurdische Organisationen zum bewaffneten Kampf zurückkehren würden.

Die Dachorganisation der kurdischen Vereine in Deutschland, FED-DEM hat sich ebenfalls ausdrücklich positiv auf die Erklärung zum Ende des bewaffneten Kampfes bezogen. Diese Tatsachen sollen im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden. Der Antrag umfasst die Aufnahme von 10 Beweismitteln, die den aktuellen Friedensprozess bis zur Entwaffnungszeremonie am 11.7.2025 dokumentieren.

So sollen einerseits der Aufruf Abdullah Öcalans zur Auflösung der PKK aus Februar 2025, die Verkündung des sofortigen Waffenstillstandes durch die PKK im März 2025 und zur Auflösung der Organisation im Mai 2025, die Erklärung der KON-MED, Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans e.V., die mit einem Aufruf an die Bundesrepublik Deutschland schließt, „alle diplomatischen Kanäle in Richtung Türkei“ zur Unterstützung des Prozesses zu nutzen (März 2025), und deren Erklärung „PKK-Beschlüsse: Transformation gestalten-Frieden sichern“ aus Mai 2025 und nicht zuletzt die symbolische Entwaffnungszeremonie Berücksichtigung finden.

Ebenso sollen die Rede des Vorsitzenden der MHP, Devlet Bahçeli vom 22.10.24, ein Interview mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan und eine Rede des türkischen Präsidenten Erdoğan, in der er seine Unterstützung für den Friedensprozess erklärte (beide Mai 2025), als Beweismittel eingeführt werden um die Relevanz des Friedensprozesses zu dokumentieren.

Oberstaatsanwalt Schakau erklärte in einer Stellungnahme zu dem Antrag, er habe grundsätzlich nichts dagegen, diese Sachverhalte einzuführen, merkte aber sichtlich verärgert an, dass er nicht bereit wäre, die Gerichtsverhandlung als PKK-Propaganda-Veranstaltung missbrauchen zu lassen.    Er führte außerdem an, die Staatsanwaltschaft habe ca. 80% dieser Tatsachen bereits in der Vorbereitung der Anklage berücksichtigt.

Nachdem einige eher technische Details zur Aufnahme der Beweismittel in kurdischer bzw. türkischer Sprache besprochen wurden, ging es weiter mit der Anordnung zur Aufnahme der durch die Verteidigung am vorangegangenen Prozesstag eingebrachten Beweismittel.

Sodann wurden als Beweismittel Auszüge aus Urteilen anderer Oberlandesgerichte verlesen, die sich insbesondere mit der Unterdrückungspolitik des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung befassten. Hierbei wurde Augenmerk auf die Ermordung der PKK-Mitglieder Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez durch den türkischen Geheimdienst im Jahr 2013 in Paris, sowie die Militäroffensive des türkischen Staates gegen die Autonomieregion Rojava gelegt.

Hervorgehoben wurde auch die Ausweitung des Verteidigungskrieges auf kurdische Städte wie etwa Cizre in der Türkei sowie das brutale Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte gegen die kurdische Zivilbevölkerung und die damit verbundene massenhafte Flucht hunderttausender Menschen aus diesen Städten in den Jahren 2015 und 2016.

Bezug genommen wurde auch auf die Geschehnisse im Jahr 2014 in Kobanê und im Sinjar-Gebirge.

Während unter anderem die kämpfenden kurdischen Einheiten die ezidische Zivilbevölkerung vor drohenden Massakern durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) verteidigten, unterstützte der türkische Staat den IS sowohl militärisch als auch logistisch.

Weitere Verhandlungen bis Februar angesetzt

Beim nächsten Termin am Freitag (28.11.25) wird es weiter um die Beweisanträge der Verteidigung gehen. Ob dafür weitere Tage gebraucht werden, wird sich am Freitag herausstellen.

Prozesstermine

Weitere Verhandlungstermine sind am 28.11. | 2.12. | 3.12. um jeweils 9 Uhr,

sowie am 18.12., ebenfalls um 9 Uhr, aber dann nicht den ganzen Tag,

22.12. um 10 Uhr,

23.12. um 9 Uhr.

Im Januar 2026 sind am 7.1. um 10 Uhr und am 14.1. um 10.30 Uhr jeweils kurze Termine von höchstens einer halben Stunde angesetzt. Die vorsichtshalber für Februar vereinbarten Termine sind am 16.2. und 27.2. jeweils um 9 Uhr.

Solidarische Prozessbegleitung

Die anlässlich des Verfahrens gegründete Gruppe Prozessbeobachtung Nord ruft weiterhin zur solidarischen Prozessbegleitung auf: „Solidarität ist unsere Waffe – Wir freuen uns über Spenden!“

Spendenkonto

Rote Hilfe e.V.
Verwendungszweck: Hevgertin – Solidarität
IBAN: DE08 4306 0967 4003 1186 03
BIC: GENODEM1GLS