Beweisaufnahme im Hamburger PKK-Prozess abgeschlossen
Am elften Verhandlungstag im Hamburger PKK-Prozess gegen Nihat Asut aus Kiel und einen weiteren Angeklagten aus Lübeck hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) am Dienstag die Beweisaufnahme abgeschlossen. Im Zentrum standen dabei die Hauskaufpläne des Lübecker Angeklagten sowie biografische Nachfragen zu Asut.
Zunächst wurde ein 26-jähriger Cafébetreiber aus Lübeck als Zeuge geladen. Er hatte zwischen dem Lübecker Angeklagten – den er über dessen Sohn kannte – und einem Immobilienmakler vermittelt. Vor Gericht schilderte er, wie er vom Sohn des Angeklagten erfahren habe, dass dieser auf Haussuche sei. Daraufhin sei es zu einer gemeinsamen Besichtigung eines renovierungsbedürftigen Hauses im Umland von Lübeck gekommen. Die Immobilie kannte der Zeuge bereits durch seine eigenen Familienangehörigen, die sie jedoch als ungeeignet eingestuft hätten.
Oberstaatsanwalt unterstellt „bestellte Aussage“
Er bestätigte, dass der Besichtigungstermin vor etwa einem Jahr stattgefunden habe und bei den Verhandlungen eine konkrete Geldsumme zur Sprache gekommen sei. Bereits die Nachfragen des Gerichts ließen dabei eine gewisse Voreingenommenheit gegenüber dem Zeugen erkennen. Oberstaatsanwalt Schakau unterstellte schließlich offen eine „bestellte Aussage“. Diese aus Sicht der Verteidigung völlig unbegründete Suggestion einer Falschaussage wurde von den Anwält:innen der Angeklagten scharf beanstandet und zurückgewiesen.
Im weiteren Verlauf wurden Fotos der betreffenden Immobilie gesichtet und ein Bericht des Lübecker Staatsschutzes verlesen. Daraus ging hervor, dass das Haus mittlerweile von einer anderen Person gekauft wurde. Die Hauskaufpläne des Angeklagten gelten als prozessrelevant, da bei einer Razzia im März 2025 ein hoher Bargeldbetrag bei ihm sichergestellt worden war. Die Staatsanwaltschaft wertet das Geld als angebliche Spendengelder für die PKK, während der Angeklagte angab, die Summe sei für den Hauskauf seines Sohnes bestimmt gewesen. Die Einordnung dieses Geldes durch das Gericht wird mit darüber entscheiden, ob der Angeklagte die beschlagnahmte Summe – zumindest teilweise – zurückerstattet bekommt.
Wiederholt in Nordkurdistan festgenommen, nie Asyl erhalten
Der Verhandlungstag endete mit einer Einlassung Asuts zu Aspekten seiner Biografie. Sein Mitangeklagter hatte zuvor eine Aussage hierzu verweigert. Auf Fragen des Vorsitzenden Richters Sakuth berichtete Asut, wie er als Kind mit acht Schwestern und sechs Brüdern in Qubîn (tr. Beşiri) aufwuchs und mit acht Jahren den Tod seines Vaters erlebte. Er besuchte die Mittelschule und das Gymnasium, nahm jedoch trotz Zulassung kein Studium der bildenden Künste in Istanbul auf – die schwierige politische Lage ließ dies nicht zu.
Sein kurdisches Bewusstsein, so Asut, sei durch seinen politisch aktiven älteren Bruder geprägt worden, über den er auch auf das Buch „Volk ohne Anwalt. Die Kurdenfrage im Mittleren Osten“ von Heinz Gstrein gestoßen sei. Dieses habe ihn politisiert. Bis zu seiner Flucht vor den für ihn unerträglich gewordenen Lebensbedingungen in Nordkurdistan im Jahr 1989 sei er wiederholt wegen des Vorwurfs der PKK-Mitgliedschaft festgenommen worden. In Deutschland stellte er einen Antrag auf politisches Asyl, der jedoch nie bewilligt wurde. 1995 wurde er in der Bundesrepublik inhaftiert. Die daraus resultierenden Repressionen hätten auch seine in Kurdistan verbliebenen Geschwister schwer getroffen: Sie seien Opfer schwerer Repressionen und brutaler Übergriffe geworden. Heute bezieht Asut aufgrund psychischer Langzeitfolgen Erwerbsunfähigkeitsrente.
Schlussplädoyers und Urteilsverkündung noch im Dezember
Mit diesen persönlichen Einblicken in die Lebensgeschichte eines ungebrochenen Mannes, der Zeit seines Lebens gegen Unterdrückung und Kriminalisierung seiner Identität gekämpft hat, endete die Beweisaufnahme. Die Verlesung der noch ausstehenden Zentralregisterauszüge wurde vertagt. Damit zeichnet sich ab, dass der Prozess am 18. Dezember um 9 Uhr mit den Schlussplädoyers und am 23. Dezember mit der Urteilsverkündung zu Ende gehen wird. Alle weiteren zuvor angesetzten Verhandlungstage entfallen – darunter auch der ursprünglich für den morgigen Mittwoch geplante Termin.
Die solidarischen Unterstützer:innen der Angeklagten und der kurdischen Befreiungsbewegung sind aufgerufen, an den verbleibenden Prozesstagen nochmals zahlreich am Gericht zu erscheinen. Weitere Ankündigungen hierzu werden folgen.